Peter Jahr2

Taxonomie oder das Dilemma von Mehrheitsentscheidungen in der EU?

Taxonomie oder das Dilemma von Mehrheitsentscheidungen in der EU?

Einstimmige Beschlüsse sind schwierig, hemmen oft die Entscheidungsfindung und sind in demokratischen Entscheidungsprozessen die extreme Ausnahme. Und das ist auch richtig so.

Selbst die Grünen haben im Wahlkampf geäußert, dass die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips, die EU besser machen würde.

Die Wahrheit allerdings ist, dass seit dem Vertrag von Lissabon die meisten Entscheidungen auf europäischer Ebene sowohl im Rat, als auch im Parlament mehrheitlich getroffen werden. Beispielweise unterliegt der aktuelle Kommissionsvorschlag zur Taxonomie diesem demokratischen Prinzip. Mit der sogenannten Taxonomie soll festgelegt werden, welche Technologien zur Energiegewinnung als nachhaltig und besonders CO2 reduzierend wirken. Banken können bei Entwicklungen von Investitionsfonds mit dieser Einstufung werben. Es ist anzunehmen, dass sich auch die national bzw. europäische Förderpolitik an dieser Taxonomie orientiert.

Demnach soll Atomkraft, genau wie Gas, zumindest vorübergehend, als nachhaltige CO2 neutrale bzw. CO2 mindernde Technologie eingestuft werden.

Nicht akzeptabel war die Antwort der Bundesregierung. Wie konnte die Kommission nur zu so einer Fehleinschätzung kommen? – war noch die netteste Reaktion der Regierungsfraktionen in Berlin. Ich sehe das ein wenig differenzierter.

Die Aufgabe der Kommission ist es, auch bei Beschlussvorlagen, die Mehrheitsverhältnisse in der EU angemessen widerzuspiegeln. Die Rückmeldungen aus den Mitgliedsstaaten zeigen, dass sich Deutschland in einer Minderheitsposition befindet. Offenbar ist die deutsche nukleare Strategie in der EU nicht mehrheitsfähig.

Nun braucht keiner Angst haben, dass auf deutschem Hoheitsgebiet, französische oder finnische Kernkraftwerke entstehen, weil das der nationalen Entscheidungskompetenz unterliegt. Auf diese berufen sich übrigens auch die Franzosen bzw. Finnen. Die wollen halt wieder Kernenergie für ihren Energiemix nutzen.

Die Gegenfrage ist, mit welchem demokratischen Recht wollen wir das verbieten?

Ich finde den Beschlussvorschlag im Grundsatz richtig, weil er nicht nur die Mehrheitsverhältnisse in der EU widerspiegelt, sondern auch unterschiedliche Lösungsansätze zur Lösung der CO2 - Problematik zulässt. Wettbewerb lebt von den verschiedenen Ideen die das gleiche Ziel verfolgen und das ist (auch) gut so.

Wer das kritisiert, hat Angst vor dem Wettbewerb. Aber Angst vor dem Wettbewerb, hemmt die Entwicklung. Deutschland hat es anscheinend verlernt Probleme technologieoffen zu lösen. Man ist verliebt in administrative Entscheidungen. Und ist beleidigt, wenn das Nachbarland nicht mitmacht. Aber nicht einmal Europa dreht sich um Deutschland, geschweige denn die Welt.